z’Alp

Wie es dazu kam

Im Mai 2022 näherte sich das Ende meines 4-jährigen Engagements in Namibia. Per Zufall stiess ich im Internet auf die Sendung “SRF bi de Lüt”. Die Aussage des Bauern Albert Breitenmoser, die Seealp sei eine Alp für Anfänger, motivierte mich, mich als Senn für die Alpzeit 2023 zu bewerben. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz und einem 2-stündigen Bewerbungsgespräch bei Albert in Eggerstanden waren wir uns einig. Bald war der Vertrag unterschrieben. Die Vorfreude war gross, aber auch der Respekt vor dieser Aufgabe.

Im Arbeitsvertrag waren unter Pflichten des Arbeitnehmers folgende Tätigkeiten aufgeführt:

Milchgewinnung und Tierpflege: Pflege und Betreuung der Tiere sowie die sorgfältige Milchgewinnung Weidenutzung/-pflege: Unkraut bekämpfen, Büsche roden, Steine lesen…Stallgebäude: Die Gebäude sind sauber zu halten Alphütte: Die Alphütte ist stets sauber zu halten und die Unterkunft für die Gäste soll jederzeit sauber und gepflegt sein. Heizmaterial: Brennholz richten Umzäunungen: erstellen, kontrollieren und instand halten Projekt Kühe-mieten: Zuvorkommende und gepflegte Betreuung der Gäste (Instruktion melken, Gäste bewirten, Frühstück, Zimmer herrichten …)

Alles war mehr oder weniger Neuland für mich. Vor allem der Umgang mit den Tieren. Und hätte ich im Voraus gewusst, was alles auf mich zukommt, hätte ich vermutlich die eine oder andere schlaflose Nacht gehabt. Ab 24. Mai war ich auf der Alp. Vorläufig noch ohne Tiere. Am 27.5. machte ich mich um halb 5 zu Fuss auf nach Wasserauen. Um halb 6 trafen die Lastwagen mit den Kühen ein. Meine Aufgabe war, mit den schnelleren Kühen die Spitze zu bilden. Leider machten die Kühe nach gut 200 Metern kehrt und rannten talwärts. Albert hatte mir vergessen zu sagen, dass ich die Kühe hätte rufen sollen… Zu zweit schafften wir es doch noch, die Kühe zum Aufstieg zu bewegen und nach 45 Minuten traf ich mit den ersten Kühen auf der blumenübersäten Alp ein. Den Schluss bildeten Albert und die 2 Rinder Dolores und Kassandra, die das erste Mal auf der Alp dabei waren.

Milchgewinnung

Die ersten 2 Tage war Albert morgens und abends beim Melken dabei und gab mir die nötigen Instruktionen. Eine Flut von Informationen prasselte auf mich ein. Unzählige Handgriffe, vom Zusammensetzen der Melkmaschinen, dem Einstallen der Kühe, der Herrichtung des Futters für die Futterkrippe oder das Putzen der Euter, das Vormelken und die Kühlung der Milch. Da kamen mir die “Melktrainings” im Vormonat bei Albert im Tal sicher zugute auch wenn wir im Tal mit einer Melkrohranlage arbeiteten. Hier auf der Alp standen mir 2 mobile Melkeimergefässe zur Verfügung, die viele zusätzliche Handgriffe benötigen und deutlich mehr Muskelkraft beansprucht.

Am 2. Tag stellten sich während des Melkens die Wehen bei Hanni ein. Am Tag zuvor war sie wie alle anderen Kühe auf die Alp hoch gelaufen und heute gebar sie das erste Kalb der Saison (bis zum Ende der Alpzeit waren es 6 Kälber). Auch wenn die Geburt problemlos verlief, gab es doch wieder viel Neues zu tun und zu lernen. Unter anderem, Desinfizieren des Nabels, 1.5 Liter Kolostrum-Milch von Hand melken und mit Flasche an das Kalb tränken, der Kuh 30 Liter lauwarmes Wasser geben (Gebären macht durstig), Kalzium zur Verhinderung des Milchfiebers verabreichen. Die Kuh wird anschliessend im Stall behalten, damit der Abgang der Nachgeburt überwacht werden kann. Dies sollte innerhalb von 6 bis 12 Stunden nach der Geburt der Fall sein. Falls nicht, muss der Tierarzt aufgeboten werden. Den Namen für dieses Kalb durfte ich auswählen. Meine Wahl viel auf Levinia. So hiess meine letzte Chefin in Namibia, die Finanzdirektorin des Bildungsministeriums, welche die “Ehre” durchaus zu schätzen wusste. So wollte sie über die Fortschritte von Klein-Levinia auf dem Laufenden gehalten werden.

Nach 3 Tagen “Lern-Tour” bemerkte Albert, dass er nicht wisse, was er hier noch nütze und er wolle mich nun alleine “machen” lassen. Ich denke, die auf ihn wartende Arbeit (Heuen) im Tal hat bei dieser Aussage auch eine Rolle gespielt.. Am nächsten Morgen stand ich schon um 4:15 auf. Bis alle Kühe im richtigen Stall (ich hatte 2 Ställe à je 10 Plätze) und auch am richtigen Platz standen, vergingen glatte 45 Minuten. Vor allem die jungen Tiere, die zum ersten Mal auf der Alp waren, brauchten noch eine Extra-Einladung. Zudem konnte ich anfangs die Kühe nur anhand der Ohrennummer auseinander halten, was diese Aufgabe vor allem in der morgendlichen Dunkelheit nicht vereinfachte. Stand eine Kuh mal an einem falschen Platz, war es schwierig bis unmöglich, sie um zu-platzieren. Auch tickte die Uhr; die Milch musste jeweils morgens zwischen 06:45 und 07:00 und abends zwischen 18:45 und 19:15 in der Hütte (Käserei) abgeliefert werden. In den ersten Wochen hatte ich 15 der insgesamt 19 Tiere zu melken. Je länger die Alpzeit dauerte, umso weniger Tiere mussten gemolken werden. Trächtige Tiere werden ab dem 7. Monat “galt” gestellt, also nicht mehr gemolken, da sie gegen Ende der Tragezeit nur noch wenig Milch geben.

Kuhmieter

Ein weiterer Teil meiner Aufgaben war die Betreuung der sogenannten Kuhmieter. Vor bald 20 Jahren hat Albert die innovative Idee, seine Kühe für einen Monat oder für die ganze Alpzeit zu “vermieten”. In diesem Angebot sind folgende Leistungen inbegriffen: z’Vieri-Plättli, Besuch der gemieteten Kuh auf der Weide, die Kuh im Stall nach kurzer Instruktion von Hand zu melken, 2 Seealp-Käse-Mutschli & Gutschein für 30 Minuten rudern auf dem See. Für die Saisonmieter zudem eine Übernachtung im Massenlager der Alphütte, Frühstück inklusive. Einen typischen Kuhmieter gab es dabei nicht. Wir hatten sowohl junge Familien mit Kindern als auch ältere Ehepaare oder zusammengewürfelte Gruppen zu Besuch. Die Motivation der Mieter waren ebenfalls unterschiedlich. Entweder waren es Alpstein- oder Kuhliebhaber, aber auch Freunde des einfachen Sennenlebens, oder Menschen, die einmal in einer Alphütte übernachten wollten. Die Kuhmieter bedeuteten Abwechslung im Alltag aber auch einigen “Zusatzaufwand” wie Bettwäsche waschen, z’Vieri-Plättli und Frühstück zubereiten. Und der Mittagsschlaf viel oftmals zugunsten des Nachmittagsprogrammes für die Mieter aus.

übrige Arbeiten

Weiter Arbeiten waren das Erstellen und kontrollieren der Zäune, die periodische Reinigung der Brunnen (auch wir Menschen trinken lieber aus einem sauberen Glas), das “Lesen” der Steine auf den Weiden oder die Entfernung der für die Kühe ungeniessbaren Pflanzen. Die sind vorwiegend die Blacken (Ampfernart), die sich schnell vermehren und andere Pflanzen verdrängen. Nicht zu vergessen, das Zusammenlesen der Kuhfladen. Dies war eine Daueraufgabe und je länger die Alpzeit dauerte, desto höher wuchsen die Kuhfladenhaufen. Am Ende der Alpzeit wurden die Haufen dann wieder auf der ganzen Weidefläche als Dünger verteilt. Etwa alle 2 bis 3 Wochen fuhr ich mit meinem Smart-Milchmobil zum Einkaufen nach Appenzell.

Wetter

Das Wetter ist während einer Alpzeit ein wichtiger Faktor. Da es meine erste Alpzeit war, hatte ich keine Vergleichsmöglichkeit. Trotzdem kann ich sagen, dass uns Petrus diesen Sommer gnädig gesinnt war. Zwar wurde es Ende Juli und auch Ende August empfindlich kalt (Schnee bis auf ca. 1700müM) und es regnete jeweils 4, 5 Tage fast ohne Unterbruch, Ende Juli begleitet von stürmischen Winden. Ich erinnere mich an einen Abend, an dem 6 Kühe nicht in den Stall kamen. Nach einigem Suchen fand ich sie weit entfernt vom Stall in der Nähe des Wasserfalls. Da dieser viel Wasser führte, und es entsprechend rauschte, hatten sie meine Rufe und Pfiffe nicht hören können. So musste ich bis auf etwa 20 Meter zu ihnen hinaufsteigen, bis mich die Erste (Fay) bemerkte. Da war ich natürlich schon nass bis auf die Haut. Mehrheitlich wurden wir aber von sonnig warmen Wetter verwöhnt. Dies war auch ein Grund, weshalb die Kühe meist auch die Nächte auf der Weide verbringen durften.

Freizeit

Viel Freizeit gibt es im Älpler-Alltag nicht. Die Tagesarbeiten fallen von Montag bis Sonntag an. Die fehlenden Frei-Tage über das Wochenende waren anfangs gewöhnungsbedürftig. So klingelte der Wecker auch samstags und sonntags spätestens um halb 5. Noch nie habe ich so viele und schöne Morgendämmerungen und Sonnenaufgänge erlebt. Etwas freie Zeit gab es jeweils am Nachmittag, wenn gerade keine Kuhmieter oder andere Besucher auf der Alp waren. Solche Gelegenheiten nütze ich für einen verlängerten Mittagsschlaf, für eine Wanderung z.B. auf die Meglisalp, zu einem Bad im Seealpsee oder für einen Besuch bei unseren Älpler-Nachbarn. Der Zusammenhalt unter den Älplern war gross und man half sich gegenseitig, wo man konnte.

Arbeitsbelastung

Als ich mich für die Stelle als Alpangestellter beworben habe, war mir bewusst, dass es körperlich anstrengend werden würde. Meine Erwartungen wurden noch übertroffen. Vor allem die ersten zwei Wochen waren sehr streng. S, E, P, Schaffe, Esse, Pfuse. Mehr lag nicht drin. Glücklicherweise unterstützte mich ab Mitte Juni bis Ende Juli Nicole. Sie war eine ehemalige Arbeitskollegin in Namibia, die gerade etwas Zeit hatte, bevor sie ihren neuen Job in Zürich antrat. Schon nach wenigen Tagen war Nicole eine grosse Unterstützung bei allen anfallenden Arbeiten. In einigen Situationen war es zudem ein grosser Vorteil, wenn 4 statt nur 2 Hände verfügbar waren. Auch die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen oder eine zweite Meinung abzuholen, war sehr wertvoll. Unvergessen sind auch die gemeinsamen Erlebnisse wie zum Beispiel die Geburten der Kälber, Wanderung auf’s Öhrli oder die gemütlichen Frühstückspausen mit Sicht auf die Kühe und den See.

Gegen Ende der Alpzeit nahm die körperliche Belastung etwas ab.

Gründe: Körper hat sich an die Arbeit gewohnt, einkehrende Routine, mehr Galt-Kühe, die nicht mehr gemolken werden, weniger übrige Arbeiten (zäunen, Weidepflege)

Voraussetzungen für einen Job als Alpangestellter

Falls auch du Interesse an einem Job als Alpangestellter oder Sennin hast, hier einige Anforderungen, wie sie der “Schweizer Bauer” beschrieben hat:

Quelle: https://www.schweizerbauer.ch/politik-wirtschaft/agrarwirtschaft/alpsaison-personal-gesucht

  • Keine Angst vor langen Arbeitstagen
  • Körperlich fit und Freude an körperlicher Tätigkeit
  • Wenn möglich Erfahrung in der Landwirtschaft (z.B. melken, zäunen, weiden), evt. bereits Alperfahrung.
  • Kann gut im Team zusammenarbeiten, offen gegenüber anderen Gewohnheiten und Ansichten, unterstützend
  • Sauberkeit im Umgang mit Lebensmittel, hygienisch
  • Verantwortungsvoll (Verantwortung oder Mitverantwortung für Tiere)
  • Freude am einfachen Leben im Einklang mit der Natur

Bei Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert