Für meine diesjährige Radtour hatte ich 3 verschiedene Varianten ausgearbeitet. Für die Planung benutzte ich erstmals die App Komoot. Die App macht bereits beim Planen grosse Freude und hat sich auch unterwegs beim Navigieren sehr bewährt. Bei Variante 1 war das Ziel Sizilien, bei Variante 2 Istanbul. Bei Variante 3 wollte ich möglichst auf Zugfahrten verzichten und plante deshalb die Schweiz in einem grossen Bogen zu umfahren. Bei allen Varianten war der Startpunkt Zernez und die erste Etappe führte über den Ofenpass Richtung Südtirol. Kurz bevor es losging, entschied ich mich für Variante 3. Nebst dem grösstmöglichen Verzicht auf öV hatte diese Tour den Vorteil, dass ich gegen Schluss der Reise noch einen Besuch bei meinem Sohn und seiner Familie einplanen konnte, der in Frankreich südlich von Genf lebt. Am 5. April startete ich in Zernez bei Sonnenschein und für die Jahreszeit sehr warme Temperaturen Richtung Ofenpass. Gut 2 Stunden später traf ich auf der Passhöhe ein, wo noch viel Schnee lag. In Müstair besuchte ich Gian Duri. Mit ihm und noch einem weiteren Arbeitskollegen bildeten wir vor über 40 Jahren eine WG in Neuchâtel während unseres Welschland Aufenthaltes bei der Post. Die erste Nacht verbrachte ich in einem gemütlichen Hotel in Prad am Stilfserjoch.
Die ersten 2 Tage fuhr ich grösstenteils auf der EuroVelo 7, einem sehr gut ausgebauten Radweg, durch das Südtirol. Anfangs dominierten die gerade blühenden Apfelplantagen das Landschaftsbild. Weiter im Süden wird mehr Rebbau betrieben. In dieser Gegend herrschte touristisch schon ein reger Betrieb. Auch auf den Radwegen war einiges los. Von in Gruppen fahrenden Rennvelofahrern über Familien mit kleinen Kindern und ab und an auch schon einige Tourenfahrer mit voll beladenden Rädern. Das warme Wetter hat sicher das seine dazu beigetragen, dass sich an den Gelaterias in den den Städten schon lange Schlangen bildeten.
Weiter südlich nach dem Gardasee führte meine Route meist auf Landstrassen von einer kleiner Ortschaft zur nächsten. In Cremona, der Geburtsstadt und Wirkungsstätte von Antonio Stradivari legte ich wetterhalber meinen ersten Ruhetag ein. Dies sollte schlussendlich der einzige Regentag meiner Tour bleiben. Weiter ging es durch die Po-Ebene Richtung Genua und ligurische Küste. Bevor ich das Meer erreichte gab es aber erst nochmals einige schweisstreibende Anstiege zu bewältigen.
Die komoot-gesteuerte Durchfahrt durch die Grossstadt Genua war absolut problemlos. Weiter der Riviera entlang genoss ich viele schöne Ausblicke auf die Küste und das Meer. Nach einer Nacht in Finale Ligure und einer weiteren in Ventimiglia stand ich bereits an der Grenze zu Frankreich.
Gleich nach der Grenze und der Stadt Menton führte die Strasse steil in die Höhe. Durch die Nebelschwaden sah ich Monaco, bzw. Monte Carlo schon bald weit unter mir. In La Turbie, einer kleinen Ortschaft auf knapp 600 MüM gönnte ich mir in einem Restaurant eine kleine Pause bevor es in rasanter Fahrt hinunter nach Nizza ging. Nizza ist Etappenort der diesjährigen Tour de France. Ich fuhr an diesem Tag noch weiter bis Antibes.
Am nächsten Tag hatte der Wind stark zugelegt. Wenn im Norden ein Tiefdruckgebiet liegt, führt das im südlichen Frankreich zu starkem Nordwind, dem Mistral. Ich fuhr momentan in nordwestlicher Richtung. Deshalb hatte ich von jetzt an meist starken Seiten- oder Gegenwind. In Böen wurden in diesen Tagen Spitzenwindgeschwindigkeiten von über 100 Km/h gemessen. Entsprechend kürzer wurden meine Tagesetappen. Anstatt der üblichen 80-110 km pro Tag waren es nur noch 50 -80 km obwohl ich gleich lang im Sattel sass. Immerhin, das Wetter war weiter sonnig, wenn auch die Temperaturen deutlich tiefer lagen als in der ersten Woche.
Landschaftlich gefiel mir die Gegend sehr. Anfangs weiter dem Meer entlang, ging es bald landeinwärts und auch wieder in eine hügelige Gegend. Bei Sillans-La-Cascade besichtigte ich den schönen Wasserfall und übernachtete auch gleich in dieser auf einer Anhöhe gelegenen kleinen Ortschaft. Am nächsten Tag war der Mistral so stark, dass ich richtiggehend gegen den Wind ankämpfen musste. Auch am übernächsten Tag Richtung Avignon wurde es nicht besser. Nach einem weiteren Ruhetag in Avignon entschied ich mich, statt weiter gegen den Wind, mit dem Wind Richtung Süden zu fahren. Neues Ziel, das ca. 460 km südlich gelegene Barcelona.
Den Ruhetag genoss ich im schönen Städtchen Avignon. Die Hauptattraktion Avignons ist nebst der Brücke, der Papstpalast. In Avignon befand sich 13. Jahrhundert der Sitz des Papstes. Mein Hotel befand sich auf der Ile de Barthelasse, der grössten Flussinsel Europas. Mit einer Shuttle-Fähre war die Altstadt in wenigen Minuten erreichbar.
Auf meiner nächsten Etappe wollte ich von Avignon ins ca. 110 km entfernte Montpellier fahren. Nach etwa 40 km bemerkte ich ein schleifendes Geräusch am Hinterrad, konnte aber keinen Schaden feststellen. Da das Geräusch immer lauter wurde, kontrollierte ich das Rad ein weiteres Mal und stellte einen kleinen Riss in der Felge fest. Mir war klar, dass ich es nicht mehr bis Montpellier schaffen werde, und steuerte deshalb die nächst grössere Stadt mit einem Bahnhof an. Nîmes. Nach 85 km, einen km vor dem nächsten Hotel, blockierte das Hinterrad total und ich konnte nicht weiterfahren. Glück im Unglück, da ich heute mehrheitlich in einer sehr abgelegenen Gegend unterwegs war und ich es doch noch bis nach Nîmes schaffte. Nach Abwägen aller möglichen Varianten entschied ich mich, mit dem Zug nach Hause zu fahren.
Überblick über die gefahrene Strecke